Was ist wohl der Kritikpunkt am gymnasialen Schulsystem, den man als bayerische Lehrkraft den Reden der Absolvent*innen in zwölf Dienstjahren am häufigsten entnehmen konnte? Zu viel Notendruck? Auch, aber auf Platz 1 rangiert ungeschlagen die mangelnde Lebens- und Praxisnähe der in acht Jahren vermittelten Inhalte. Genau diese Tatsache war der Grund dafür, dass die Klasse 10c im Fach Politik anstelle einer theoretischen Vermittlung des Lernbereichs „Politische Verantwortung übernehmen für sich und andere“ am Projekt Eimischen![1] teilnehmen durfte. „Eimischen!“ – wie der Name bereits suggeriert – ist viel mehr als nur theoretisch vermitteltes Wissen zu bürgerschaftlichem Engagement im Klassenzimmer, denn es ist auf politisches Lernen durch praktische Demokratieerfahrung ausgelegt. Das vom Wertebündnis Bayern, der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales getragene Angebot bedeutete für die Klasse 10c zunächst die Teilnahme an einen 1,5-tägigen Workshop, bei dem wichtige Erkenntnisse über bürgerschaftliches Engagement gewonnen und erste eigene Ideen für ein Engagement- Projekt entwickelt wurden. Unterstützt von den einfühlsamen Teamer:innen Sylvia und Tommi sowie der engagierten Projektpatin Martina Hoffmann, Kreisvorsitzende des VdK Lauf, näherten sich die Jugendlichen an den Workshoptagen ihrem Themenfeld „soziale Gerechtigkeit“ an. Dass man das Projekt zum Thema „soziale Gerechtigkeit“ und nicht zu den ebenfalls wichtigen Themen Klimaschutz oder Diskriminierung machen wolle rührt für Jana Graja, eine politisch sehr interessierte Schülerin der 10c daher, dass soziale Themen im Schulalltag viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen.
Nach fünf Wochen Planung und Absprachen in Vertretungs- und Politikstunden sowie einer Exkursion zur Lebenshilfe Schönberg stand das Projekt, nämlich einen Aktionstag für alle vier 7.Klassen des PPG zum Thema „Leben mit Behinderungen“. Grundgedanken waren, den jüngeren Mitschüler*innen in unterschiedlichen Workshops zum einen Wissen zum Thema Behinderungen und die damit verbundenen politischen Herausforderungen zu vermitteln. Zum anderen war es Ziel, Behinderungen durch Selbsterfahrungen in sehr handlungsorientierten Workshops erfahrbar zu machen, um dadurch für mehr Mitgefühl und Verständnis zu sorgen. Für den Aktionstag wurden in Gruppen insgesamt fünf Workshops eigenständig von den Schüler*innen der 10c konzipiert. Neben einem Rollstuhl-Workshop mit Parcours, einem Blindenworkshop und einem Basketballworkshop wurde den Jüngeren an ihrem Aktionstag auch ein Theorie-Workshop über die Arbeit des VdK inklusive dem von Martina Hoffmann und dem VdK bereitgestellten Behinderten-Quiz geboten. Am Ende der zwei interessanten Tage waren sich sowohl die Jugendlichen der 10c als auch ihre jüngeren Mitschüler*innen einig: Das Thema soziale Gerechtigkeit für Behinderte findet viel zu wenig Berücksichtigung im Schulalltag und mit solchen Aktionstagen macht Schule einfach richtig Spaß. Und ich als Lehrkraft kann nur sagen: Hut ab, 10c!
Christina Maier-Hofer, Lehrerin am PPG
[1] Für nähere Informationen zu Einmischen! besuchen Sie die Website https://einmischen.org.